Zeichen für die Moderne gesetzt

[ 04-05-02,Stmk,KULTUR ]

Erstes Konzert des “Ensemble Zeitfluss Graz” im Minoritensaal

Im Minoritensaal feierte das Ensemble Zeitfluss Graz Premiere. Das Kammerorchester will sich künftig der Musik des 20.und 21.Jahrhunderts annehmen und damit eine betrübliche Lücke im hiesigen Konzertbetrieb schließen. Zum Auftakt gab es zwei Uraufführungen.

Der Konzertbetrieb der ehemaligen Kulturhauptstadt Europas geht mit dem Klangkosmos der Avantgarde nachlässig um. Wann hört man je die Meisterwerke von Boulez, Berio, Rihm, Zimmermann, Cerha, Stockhausen und und und?

Das von Edo Micic dirigierte, stark spielende Ensemble setzt hier Zeichen. Neben Ligetis Kammerkonzert erklangen zwei Uraufführungen. Klaus Lang, der seine Stücktitel so geschickt vieldeutig diffus wählt, dass sie Hörer in keine (falsche) Richtung stoßen, war die erste davon beschieden. Im äußerlich ereignisarmen “Die englischen Hände” bilden statische Anlage und schillernde Klangfarben einen reizvollen Kontrast. Schwebende Erdenschwere könnte man das nennen – widersprüchlich zwar, aber wie Lang im Programmheft poetisch ausführt: “Auch die Majestät der Berge ist veränderlich, sie sind flüchtig wie Träume.”

Weniger geheimnisvoll gab sich die zweite Uraufführung, “Hesaar” von Kiawash SahebNassagh. Das unter dem persischen Wort für “Stadtmauer” firmierende Werk ist den Opfern des verheerenden Erdbebens im Iran gewidmet, das im Dezember 2003 mehr als 40.000 Menschenleben forderte. Dieses Memento wirkte dem exzellenten Saxophonisten Clemens Frühstück auf den Leib geschneidert. SahebNassagh ließ seine Erfahrungen mit der traditionellen persischen Musik einfließen und erreichte prägnante Eindrücke.

Martin Gasser

© 04-05-02 by “KRONEN ZEITUNG”

Ensemble Zeitfluss stellt sich vor

Die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, ist ein unglaublich spannendes Kapitel Musikgeschichte. Leider bleibt es einem großen Publikum weitgehend verschlossen. Zu selten finden sich Werke namhafter Komponisten dieser Zeit auf den Spielplänen der Grazer Musiktreibenden. Mit dem Ensemble Zeitfluss wollen der Dirigent Edo Micic, der Komponist Kiawasch SahebNassagh und der Saxophonist Clemens Frühstück diesen kulturellen Rückstand aufholen zu helfen.

 Das Ziel der drei Musiker ist es, durch gezielte Programmauswahl Werke großer Komponisten des 20. Jahrhunderts, denen heimischer gegenüberzustellen. Die spannende Entwicklung, die sich in unglaublich kurzer Zeit vollzogen hat, und die Schönheit neuer Musik soll der breiten Öffentlichkeit nicht mehr länger vorenthalten werden. Doch sind es nicht die wenigen bekannten Werke, die das Ensemble Zeitfluss zur Aufführung bringen will, sondern vergessene, wenig gespielte und unbekannte Werke gegenwärtiger Musik.

 Leider sind alle Versuche in Graz ein Ensemble für zeitgenössische Musik, das sich im Musikleben der Stadt etablieren kann, gescheitert. Keines der bereits bestehenden Ensembles kann die Kontinuität (u.a. ständig wechselnde Musiker) und die daraus folgende Qualität aufweisen, die für die Komplexität zeitgenössischer Musik unabdingbar ist. Daher sind Grazer Konzertveranstalter auf auswärtige Ensembles angewiesen und das obwohl sich in den letzten Jahren Musiker von höchstem Niveau in Graz angesiedelt haben. Das Potential ist vorhanden und will genützt und erweckt werden.

 Das Ensemble Zeitfluss will diese kreativen Kräfte an sich binden und zu einem ständigen, arbeitenden Ensemble formieren. Jedes Mitglied soll die Qualitäten eines Solisten aufweisen und sich dennoch als Kammermusiker in die musikalische Arbeit einbinden. Bei Bedarf wird auf Stammmusiker für solistische Tätigkeit zurückgegriffen. Das Ensemble ist offen für konzertante und szenische Aufführungen in Graz und möchte diese natürlich auch nach außen tragen. Die Musikerzahl wechselt nach Bedarf. Dennoch sollen etwa zehn bis fünfzehn Instrumentalisten einen ständigen Kern bilden.

 Das Programmkonzept soll mit ausgewählten Werken großer Komponisten, von denen einige aus dem aktuellen Musikleben fast verbannt wurden, ein breites Publikum ansprechen. Diese Werke sollen Kompositionsaufträgen, die an international angesehener Komponisten – unter diesen einige Grazer – vergeben werden, gegenübergestellt werden.


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