Das Mit- und Gegeneinander von Musik und Bildern beherrschte den
zweiten “Musikprotokoll”-Abend in der Grazer Waagner-Biro-Halle.
Das Konstruktionsprinzip verheißt Ungewöhnliches. “Hybrid V” basiert auf einem morphogenetischen Simulationsprogramm, das ansonsten dazu dient, Musterbildungen auf Muschelschalen zu untersuchen. Der Salzburger Komponist Gerhard E. Winkler (41) benützt es dazu, Videoeinspielungen und elektronische Klänge zu steuern, in die allerdings auch die Interpretin eingreifen kann: Sie steht vor einem das Notenpult ersetzenden Bildschirm, auf den in Echtzeit die Partitur projiziert wird, die auch ihr Agieren berücksichtigt. “Echte Interaktivität”, kommentiert der Autor, sei die “Grundlage der Aufführungssituation”.
Das Resultat dieses komplizierten Prozesses vermag allerdings nicht lange zu fesseln. In einem mit Gazestreifen ausgehängten Würfel steht die Mezzosopranistin Christina Ascher hinter einem Monitor und führt mit bewundernswerter Virtuosität und Stimmakrobatik alle Arten der Ton- und Geräuscherzeugung mit und ohne Hilfsmittel vor. Die ergänzende Live-Elektronik und die meist abstrakten Projektionen (Videos: Renegadez), deren Elemente sich alsbald wiederholen, sollen laut Autor dazu dienen, “unsere auf Objektwahrnehmung gerichtete Gestaltfixierung aufzuheben”, provozieren indes alsbald Langeweile.
Einen ähnlichen Ansatz wie Winkler verfolgen auch der Berliner Laptopmusiker “zeitblom” (38) und seine für die – ebenfalls abstrakte, aber die Darstellung des Auges miteinbeziehende – visuelle Gestaltung verantwortliche Partnerin Tanja Diezmann, die ebenfalls “auf eine zwanghafte technologische Synchronität von Licht/Bild und Klang” verzichten und in ihrem Live-Sound-Environment “bioplex” die minimale Veränderung der Geräuschkulisse praktizieren.
Wesentlich mehr musikalische Substanz und eine ungleich buntere klangliche Palette bot dazwischen der bei Beat Furrer an der Grazer Kunstuniversität studierende persische Komponist Kiawasch Saheb-Nassagh (32), der für sein “Moment Gelée” das Spiel von fünf Instrumentalisten mit vorgefertigten Samples zu einer farbigen Mixtur vereint, die effektvoll mit den das Fernsehrauschen zum Ausgangspunkt nehmenden Videoeinspielungen kontrastiert.
Ernst Naredi-Rainer
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